Noch bevor ich mich versehe, werden die Termine des Tages etwas nach hinten geschoben, und ich finde mich vor der großen Kiste wieder, in der die alten Fotos liegen. Die, die den Umzügen, Aufräumaktionen und Vernunfts-Attacken immer zu trotzen wussten: Das Bild von Meike aus dem Nachbarhaus. Mein Hund Terry. Und dann, tatsächlich, tief unten findet es sich, das Gesuchte: es ist das einzige verbliebene fotografische Dokument der großen Jungendliebe. Ein KÖNIGSBILD mit runden Ecken, Datum von 79 auf der Rückseite.
Aufgenommen mit der Kodak Pocketkamera, zeigt die etwas fehlfarbene Fotografie meinen ersten motorisierten Untersatz: eine Malaguti Ronco. Ein - wie ich damals selbstverständlich finde - Geländemotorrad mit erhabener Größe und Leistungsentfaltung. Eine Waffe in meinem bis dahin scheinbar nutzlosen Leben, das bis dahin verkehrstechnisch von schlecht lackierten Zweithand-Fahrrädern geprägt war. Alles in allem ein anbetungswürdiges Stück Technik, das vom Zeitpunkt seines Erwerbs meine ganze Freizeit und Denken in Anspruch nimmt.
Schnell wandelt sich der uneingeschränkte Besitzerstolz in ingenieursmäßige Neugierde, wird dem stets zu beklagenden Leistungsmangel schrittweise und gezielt versucht, Abhilfe zu schaffen. Die höchste Evolutionsstufe manifestiert sich in einem Cavalcone-Motor, der der Einfachheit halber direkt und komplett in den Rahmen implantiert wird - Sechsganggetriebe und ein 18er Vergaser hauchen dem Biest ehrfurchterweckende 13 PS ein, ein Sachverhalt, der mich derart stolz macht, das ich ihn kühn in kleiner Schrift auf den Seitendeckeln verkünde! Soll mir erst mal einer drauf kommen, mir, dem Unbesiegbaren!
Die Optik wird mehr im Stile großer Einzylinder-Enduros dieser Tage gehalten (ein Hausbewohner, mit dem ich befreundet bin, fährt zu dieser Zeit XT). Supra-Scheinwerfer, deren Blinker sowie Armaturen einer XS 400 machen aus der italienischen Light-Crosse eine "richtige" Enduro. Ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin, wenn mich auf der Landstraße mal wieder ein Motorradfahrer versehentlich grüßt.
Dass ich auf dem falschen Weg bin, finden unsere Nachbarn. Was zur Folge hat, dass ich gezwungen werde, beim nächtlichen Nachhausekommen das Höllen-Aggregat rechtzeitig auszumachen - und den italienischen Stolz unsere Straße bis zum Haus zu schieben! Die Routine bringt es schließlich mit sich, dass ich herausfinde, bis zu welchem Punkt der Hauptstraße ich den Hahn offenlassen muss, um den erforderlichen Restweg nach Verstummen des Aggregates durch bequemes Ausrollen bewältigen zu können. Ja, ich war bekannt in unserem kleinen Ort.
Hey, es ist eine schöne Zeit, das Ding vibriert sich das Rückgrat raus, der örtliche Schlosser und sein Schweißgerät werden meine Freunde. Und dann, kurz vor dem Ende unserer Beziehung, kommen dann doch noch die örtlichen Ordnungskräfte zu ihrem Recht. Ich sehe es sportlich und baue die Schöne so gut es geht zurück, verkaufe sie an den Meistbietenden auf der Interessenten-Warteliste der nachgerückten Generation. Und kaufe mir meine erste "Große": eine 78er DT250 MX. Aber das ist eine andere Geschichte ...
Ein schönes Thema, wie ich finde. Und eines, was neugierig macht. Auf Eure Höllen-Hobel der "early Days". Ist das jetzt ne Umfrage?
Weiß der Henker - ich persönlich würde hier gerne auch Bilder & Stories aus Eurem Giftschrank sehen! Die langen Winterabende schreien nämlich nach wohliger Unterhaltung!
Bin gespannt


Markus